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Bei hyporegenerativen makrozytären Anämien ist die Knochenmarkuntersuchung nur bei fehlendem Hinweis auf Vitamin B12 oder Folsäuremangel indiziert. Bei megaloblastärer Anämie durch Vitamin B12-Mangel liegen die Vitamin B12-Werte unter 100 pmol/l meist unter 50 pmol/l. Werte von 100 bis 200 pmol/l sind nicht beweisend für eine Vitamin B12 Mangelanämie. Neurologische Symptome (Parästhesie und Hypästhesie der Extremitäten, gestörtes Vibrationsempfinden, Muskelschwäche, Ataxie, Areflexie, Parese) können insbesondere bei alten Menschen Hinweis auf einen behandlungsbedürftigen Vitamin B12-Mangel sein und sie können der Entwicklung einer Anämie vorausgehen. Wichtig ist es zu wissen, daß bei Vitamin B12-Mangel Folsäure zwar in hoher Konzentration die Anämie verbessern kann , nicht aber die neurolgische Symptomatik.
Folsäure kann bei schwerem Mangel an Vitamin B12 vermindert sein, ohne dass die verminderte Folsäurekonzentration ursächlich für die Anämie ist. In solchen Fällen steigt die Folsäurekonzentration nach Folsäurereicher Ernährung rasch an, doch die makrozytäre Anämie besteht weiter fort. Aus diesem Grund sollten Vitamin B12 und Folsäure stets gemeinsam bestimmt werden. Erhöhte Konzentrationen von Homocystein oder Methylmalonat im Serum können auf Störungen des Folsäurestoffwechsels hinweisen.
Alkoholabusus, Hepatopathie und Hypothyreose sollten ausgeschlossen sein, ehe die Untersuchung des Knochenmarkes auf Myelodysplastisches Syndrom (MDS) und evtl. andere hämatologische Erkrankungen erfolgt. Eine Makrozytose wird bei 82 – 96 % der chronischen Alkoholiker beobachtet. Schon 5 – 7 Tage Alkoholkonsum reichen aus, eine Vakuolisierung der Präcursorzellen im Knochenmark auszulösen. Diese Veränderungen verschwinden prompt mit dem Absetzen des Alkohols.
Eine weitere Erkrankung mit makrozytärer Anämie ist das myelodysplastische Syndrom. MDS ist eine Stammzellerkrankung vor allem älterer Personen (> 60 Jahre), die durch ineffektive Hämatopoese und dysplastische Veränderungen dieser Zelllinien charakterisiert ist. Das MDS kann weiter fortschreiten bis zur akuten myeloischen Leukämie (AML). Als Ätiologische Faktoren sowohl für MDS als auch für AML sind Exposition gegenüber Benzol, Chemotherapie, alkylierende Agenzien, Topoisomeraseinhibitoren und Strahlenexposition beschrieben. Diese Noxen verursachen Schädigung der DNS- und/oder Hemmung der DNS-Reparatur. Die Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung gehört in die Hände des Hämato-Onkologen.

Diagnostik: Zytopenien einer (meistens Anämie) oder mehrerer Zellreihen und vielfältige Dysplasiezeichen in Blut und Knochenmark lenken die Diagnose in Richtung MDS. Die Diagnose des MDS ist in frühen Stadien der Erkrankung schwer zu stellen, morphologische Untersuchungen des peripheren Blutes und des Knochenmarkes nach Dysplasiezeichen sind erforderlich. Im Knochenmark können bei MDS Typ refraktäre Anämie mit Blastenüberschuss (RAEB) Myeloperoxidase-positve Blasten (bis zu 20 %) gefunden werden, die CD13 und CD33 exprimieren.
Neuere Untersuchungen mit dem Hämatologieautomaten Sysmex XE2100 oder XE5000 zeigen bei MDS verminderte Granularität der neutrophilen Granulozyten mit dem Parameter Neut-X (Wert < 1298), oder noch besser am Granularitätsindex (GI; < - 3) der von Neut-X abgeleitete wurde.

Le Roux G, Vlad A, Eclache V, Malanquin C, Collon JF, Gantier M, Schillinger F, Peltier JY, Savin B, Letestu R, Baran-Marszak F, Fenaux P, Ajchenbaum-Cymbalista F. Routine diagnostic procedures of myelodysplastic syndromes: value of a structural blood cell parameter (NEUT-X) determined by the Sysmex XE-2100™.Int J Lab Hematol. 2010;32:e237-43

Diagnostische Wertigkeit der Parameter Neut-X und Neut-Y bei der Erkennung des myelodysplastischen Syndroms

 

Diagnostische Sensitivität

Diagnostische Spezifität

Neut-X  < 1298

60 %

94 %

Neut-Y  < 398

56 %

91 %


J. R. FURUNDARENA,M. ARAIZ,M. URANGA,M. R. SAINZ,A. AGIRRE,M. TRASSORRAS,N. URESANDI,M. C. MONTES,N. ARGOITIA The utility of the Sysmex XE-2100 analyzer’s NEUT-X and NEUT-Y parameters for detecting neutrophil dysplasia in myelodysplastic syndromes. Int J Lab Hematol. 2010 Jun;32(3):360-6. Epub 2009 Nov 10.

Auch eine akute myeloische Leukämie Typ M6 akute Erythroleukämie (AML-M6) geht mit makrozytärer Anämie und Dyserythropoese einher. Meist ist die AML-M6 eine sekundäre AML, die durch Transformation eines MDS entstanden ist. AML ist das Resultat einer Reihe von Mutationen der multipotenten oder weiter differenzierten Progenitorzelle, die zu einem Wachstums- oder Überlebensvorteil gegenüber normalen Zellen führt. Der mutierte Zellklon proliferiert und hemmt das Wachstum der normalen Zellen. Es resultieren Anämie und Leukozytose; im peripheren Blut und im Knochenmark werden Myeloperoxidase-positive Blasten gefunden (> 20 %), die CD13 und CD33 exprimieren. Die Kriterien Thrombopenie, Riesenthrombozyten, Hämolyse (LDH ?) und NRBC im peripheren Blut, sind sowohl bei AML als auch bei MDS vorhanden und helfen nicht, zwischen beiden Erkrankungen zu differenzieren.

Unterscheidung zwischen MDS und AML-M6 - Untersuchung des Knochenmarkes

Diagnose

Erythroblasten

Myeloblasten Typ I oder II

 in % der nichterythroblastären kernhaltigen Zellen

MDS

< 50 %

< 20

AML

> 50 %

> 20


Ist der Anteil der Myeloblasten Typ I oder II im peripheren Blut > 20 % gilt die Diagnose AML, egal was im Knochenmark differenziert wird. Lymphozyten, Plasmazellen und Megakaryozyten werden nicht mitgerechnet.

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