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Hormonersatztherapie in der Peri- und Postmenopause - Ein Update

Das aktuellste Update zur Hormonersatztherapie (HRT), das im Juni 2017 von der Nordamerikanische Menopause Gesellschaft (NAMS) veröffentlicht wurde, wird von diversen internationalen Fachgesellschaften inkl. der Deutsche Menopause Gesellschaft e.V. (DMG) und der Europäischen Menopause und Andropause Gesellschaft (EMAS) unterstützt.

Basierend auf den darin beschriebenen Fakten und weiterer aktueller Literatur gelten folgende Feststellungen und Empfehlungen für eine Hormonersatztherapie nach der Menopause:

Substanzen HRT

Östrogene: Die traditionelle HRT besteht vorwiegend aus einer oralen Applikation von mikronisiertem Estradiol oder Estradiolvalerat oder aus den sog. konjugierten Östrogenen, die aus hauptsächlich Östron und Estonsulfat bestehen sowie einem Gemisch hormonähnlicher, teils noch unbekannter Substanzen. Bei der neueren, transdermalen Therapieform wird das natürliche 17-ß-Östradiol (mikronisiert) benutzt.

Gestagene: In der HRT werden sowohl synthetische Steroide mit gestagener Wirkung (Medroxyprogesteronacetat, Norethisteronacetat, Dydrogeston) als auch das physiologische, d.h. körperidentische Progesteron angewandt. Letzteres ist heute Mittel der ersten Wahl zur physiologischen und nebenwirkungsarmen Substitution.

Applikationsart, Therapiedosis und -dauer

Das physiologische, risikoarme und individuell angepasste HRT Konzept lautet: „Angemessene Dosis, Therapiedauer und -schema sowie geeigneter Applikationsweg”.

Heute wird vielfach, bis auf wenige Ausnahmen (z. B. die Hypertrigyzeridämie), die transdermale Anwendung des natürlichen Östradiols (Gel, Pflaster, Spray, Vaginalring) bevorzugt, wodurch bei der Verstoffwechselung die „erste Leberpassage“ vermieden wird und damit als Folge der dadurch niedrigeren erforderlichen Dosis diverse Risiken gemindert werden (z. B. Thromboserisiko).

Oral verabreichte Östradiolester sind ebenso wie Östradiol dem enterohepatischen Kreislauf ausgesetzt, wodurch das Östradiol vorwiegend zu Östron metabolisiert wird und ein unphysiologischer Östron/Östradiol-Quotient hervorgerufen wird. Werden für die Therapie natürliche Östrogene (Gels und Pflaster) transdermal eingesetzt, lässt sich dies vermeiden.

Gestagene(synthetische Gestagene und natürlich Progesteron): werden entweder oral, vaginal , transdermal in Form eines Kombi-Pflasters oder mittels eines IUPs verabreicht. Es gibt klinisch relevante Unterschiede zwischen den verfügbaren Gestagenen hinsichtlich Nutzen und Risiko, die individuell berücksichtigt werden sollten (z.B. Thromboseund Mamma-Ca-Risiko).

Dies gilt auch für die Östrogene und für die verschiedenen Darreichungsformen der HRT (z.B. Thromboserisiko). Eine angemessene Östrogendosis sollte risikoarm und effektiv sein, es sollte ein physiologischer Wirkspiegel des Östradiols und Östrons (es handelt sich um eine Substitution, nicht um eine Pharmakotherapie!) erreicht werden, der dem einer fertilen Frau zu Zyklusbeginn vergleichbar ist (ca. 40-60 pg/ml). Das physiologische 17ß-Östradiol ist durch sein natürliches Wirkprofil dabei vorteilhaft.

Bei der Wahl der Gestagendosis ist auf eine ausreichende Protektion des Endometriums zu achten.

Eine HRT sollte nicht routinemäßig im Alter von 65 Jahren beendet werden. Eine Fortführung der HRT kann bei Frauen über 60-65 Jahren nach entsprechender Beratung bei persistierenden vasomotorischen Beschwerden, Aspekten der Lebensqualität und/oder zur Osteoporoseprävention in Erwägung gezogen werden.

Indikation für eine HRT

Indikationen für eine HRT:

  1. vasomotorische Beschwerden
  2. Prävention des Knochenmasseverlustes
  3. Hypoöstrogenämie aufgrund von Hypogonadismus, Kastration oder prämaturer Ovarialinsuffizienz
  4. urogenitale Atrophie.

1. Vasomotorische Beschwerden
Eine HRT stellt die ursächliche und effektivste Therapie von vasomotorischen Störungen dar.

2. Knochenmasseverlust
Eine HRT zeigte in vielen Studien eine Prävention des postmenopausalen Knochenmasseverlusts und eine Reduktion von Frakturen.

3. Prämature Ovarialinsuffizienz (POI)
Eine unbehandelte frühe Menopause und POI sind mit einem erhöhten Risiko für koronare Herzerkrankung, Demenz, Apoplex, M. Parkinson, Augenerkrankungen und einer erhöhten Gesamtmortalität verbunden. Daher ist eine HRT in diesen Fällen absolut indiziert.

4. Vaginale /urogenitale Atrophie
Zur Behandlung der vaginalen Atrophie stellen neben der systemischen Therapie auch vaginale Östrogenapplikationen (Östradiol, Östron) eine wirksame Therapieform dar

Weitere Effekte

Sinnesorgane/ Haut/ Haare: Eine HRT kann das Risiko für Augentrockenheit erhöhen, kann aber das Risiko für Katarakt und Offenwinkelglaukom reduzieren. Haut und Haare (Dicke der Dermis und Epidermis, Hautfeuchtigkeit, Kollagengehalt und Elastizität, Haarfülle) profitieren von einer HRT.

Hirnfunktionen: Schlafstörungen werden unter Substitution reduziert, Depressionen in der Perimenopause können gelindert werden. Ein günstiger Effekt auf die Demenz wird vermutet, vorausgesetzt, die HRT beginnt frühzeitig („window of opportunity“ s.u.).

Muskulatur: In Kombination mit Krafttraining erhält bzw. erhöht eine HRT die Muskelmasse und verbessert die Muskelkraft.

Schlaganfall/ Thrombose und Gesamtmortalität: Ein HRT Start vor dem 60. Lebensjahr bzw. innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause ist nicht mit einem erhöhten Apoplexrisiko verbunden, das Risiko einer kardiovasukären Erkrankung ist um ca. 50 % reduziert.

Ein HRT Start vor dem 60. Lebensjahr bzw. innerhalb von 10 Jahren nach der Menopause ( „window of opportunty“) reduziert signifikant die Gesamtmortalität.

Das Thromboserisiko ist unter Hormonersatztherapie erhöht, es gibt jedoch Anzeichen, dass eine transdermale Therapie und auch mikronisiertes Progesteron eine deutlich niedrige Risikoerhöhung aufweisen.

Diabetes/Dyslipidämie: Eine Hormonersatztherapie reduziert um ca. 40% das Auftreten eines Typ II Diabetes. Sie kann helfen, die typische perimenopausale Zunahme des abdominalen Fettes mit erhöhter Insulinresistenz und Dyslipidämie abzumildern.

Colon-Ca: Besonders bei frühem Beginn der HRT in der Menopause ist das Colon-Malignom-Risiko um ca. 1/3 reduziert.

Mammakarzinom: Eine kombinierte HRT mit CEE+MPA erhöht das Risiko für ein invasives Mammakarzinom, jedoch um weniger als einen zusätzlichen Fall pro 1000 Anwenderinnen pro Jahr. Dieses Risiko liegt etwas niedriger als das Trinken von zwei Gläsern Wein pro Tag und ist vergleichbar mit dem Brustkrebsrisiko von Adipositas, Bewegungsmangel und Rauchen.

Wahrscheinlich spielt aber die Auswahl des Gestagens bei dieser Risikoerhöhung eine entscheidene Rolle: Eine große europäische und eine französische Studie konnten zeigen, dass das Mamma-Ca-Risiko unter Anwendung von vor allem Progesteron aber auch dem Progesteronderivat Dydrogeston weniger bis überhaupt nicht erhöht war (Anwendungszeitraum 5-8 Jahre) im Gegensatz zu einer Therapie mit synthetischen Gestagenen. Auch erhöht eine alleinige Östrogentherapie das Mamma-Ca-Risiko nicht.

Eine HRT erhöht das Brustkrebsrisiko von Frauen mit familiärer Brustkrebsbelastung , ebenso wie das Brustkrebsrisiko von BRCA 1/2 Mutationsträgerinnen nach bilateraler Ovarektomie nicht zusätzlich und sollte analog zu Frauen mit POI bis zum Erreichen des medianen Menopausenalters (52 Jahre) in Erwägung gezogen werden.

Ovarialkarzinom: Wenn es einen Zusammenhang zwischen HRT und Ovarialkarzinom gibt, ist die Inzidenz sehr selten (<1/1000 oder sogar <0,01/1000) und wahrscheinlich abhängig von der Therapiedauer. Die Studienlage ist bisher nicht eindeutig.

Kontrolle des Hormonspiegels im Blut unter HRT

Die Höhe des Östradiol- und Progesteronspiegels unter HRT ist abhängig von der Art der Substitution und vom zeitlichen Abstand der letzten Applikation zu der Blutentnahme.

Eine Kontrolle des Östradiol-Serumspiegels unter Hormonersatztherapie sollte 4-6 Stunden nach oraler Applikation bzw. 1 Tag nach Pflasterwechsel erfolgen, unter transdermaler Gel-Gabe nach 2-20 Stunden.

Der Zielwert des Östradiol- und Östronspiegels unter HRT sollte einem Wert wie in der frühen Follikelphase entsprechen, also zwischen 25-60 pg/ml liegen.

Der Progesteronspiegel 3-5 Stunden nach vag. oder oraler Applikation von bioidentischem Progesteron sollte zwischen 5 - 25 ng/ml liegen. Synthetische Gestagene können nicht routinemäßig im Blut nachgewiesen werden.

Zusammenfassung

Die aktuelle Datenlage belegt, dass bei früher Substitution (im Alter unter ca. 60 Jahren), unter Vermeidung langjähriger Östrogendefizite, der Nutzen einer HRT die Risiken meist überwiegt.

Eine individuelle Nutzen/Risiko-Abwägung der HRT muss, wie jede andere Therapieentscheidung auch, gemeinsam mit der Patientin erfolgen. Diese sollte mindestens jährlich überprüft werden und die Aufklärung muss wie üblich dokumentiert werden.

Neben einer Hormonsubstitution gehört jedoch vornehmlich eine gesunde Lebensführung (Bewegung, Ernährung, Gewicht, Vermeidung von Noxen) zur Reduktion von Morbidität und Mortalität in der Postmenopause.

Literatur

  • Deutsche Menopausegesellschaft, Newsletter August 2017
  • The 2017 hormone therapy position statement of The North American Menopause Society: The Journal of The North American Menopause Society Vol. 24, No. 7, pp. 728-753
  • Alexander Römmler, Hormone, Thieme Verlag 2014
  • R. J. Baber, N. Panay & A. Fenton the IMS Writing Group (2016) 2016 IMS Recommendations on women’s midlife health and menopause hormone therapy, Climacteric, 19:2, 109-150