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Kurzkettige Fettsäuren aus dem Darmmikrobiom sind essentiell für Darmepithel, Immun- und Nervensystem

Die kurzkettigen Fettsäuren (SCFA, „short chain fatty acids“) Acetat, Propionat und Butyrat sind Metabolite des Darmmikrobioms, die im menschlichen Körper wichtige Funktionen haben. Nicht nur die Integrität des Darmepithels hängt von einer ausreichenden Versorgung mit SCFA ab. Auch systemische Regelkreise wie der Glukosehaushalt und die Regulation von Appetit und Sättigung werden durch SCFA beeinflusst. Ihre Bestimmung in Stuhl und Serum kann daher neue kurative und präventive Ansätze identifizieren.

SCFA werden von Darmbakterien produziert

Kurzkettige Fettsäuren entstehen im Dickdarm bei der Vergärung von nicht resorbierten Kohlenhydraten, wie z.B. Ballaststoffen, komplexen Kohlenhydraten oder resistenter Stärke. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über wichtige SCFAbildende Bakteriengattungen. Über die Zufuhr der verwerteten Ballaststoffe können diese Bakterien gezielt vermehrt und ihre Stoffwechselaktivität gesteigert werden.

BakteriengattungAcetatButyratPropionat
AkkermansiaV V
BacteroidesVVV
BifidobacteriumVVV
EubacteriumVVV
Faecalibacterium V 
LactobacillusV  
PrevotellaVVV
RuminococcusV  

Tabelle 1  Übersicht über wichtige SCFA-produzierende Bakteriengattungen (nach Baldewijns et al., 2021).

SCFA sind Nährstoffe des Darmepithels und schützen vor leaky gut

SCFAs werden zu einem großen Teil von Dickdarmepithelzellen aufgenommen, dienen ihnen als Energiequelle und unterstützen damit die Integrität des Epithels. Insbesondere Butyrat fördert sowohl die Proliferation als auch die terminale Differenzierung der Dickdarmepithelzellen und reguliert die so genannten „tight junctions“, die Zell-ZellVerbindungen im Epithel. Auch die Schleimbildung auf der Darmmucosa wird durch Butyrat gefördert. Über diese schützenden Effekte auf das Dickdarmepithel hemmen kurzkettige Fettsäuren den Übertritt bakterieller Bestandteile und anderer immunogener Verbindungen aus dem Darm in den Organismus und wirken damit lokalen und systemischen Entzündungsvorgängen entgegen.

Lokale Nährstoffe – systemische Botenstoffe

Zwar werden etwa 95% der produzierten SCFA von den Dickdarmepithelzellen aufgenommen und verwertet, die Aktivität der SCFA ist jedoch nicht auf das Darmepithel beschränkt. Ein kleiner Teil wird über den Pfortaderkreislauf resorbiert. Die resorbierten SCFA wirken daher primär auf die Leber. Etwa die Hälfte der kurzkettigen Fettsäuren - in Abhängigkeit des Leberstoffwechsels individuell mehr oder weniger – gelangen über die Lebervenen in die periphere Zirkulation und interagieren mit anderen Organen und Regelkreisen. Dabei binden sie an Rezeptoren (FFAR2 und -3 sowie GPR109a), die auf zahlreichen Zelltypen exprimiert werden und spezifische Effekte vermitteln:

  • Antientzündliche Wirkung: SCFA hemmen die Expression proentzündlicher Zytokine (TNF-alpha, Il-6), die Ausschüttung von Chemokinen und induzieren antientzündliche Zytokine (z.B. Il-10, IL-1Ra).
  • Einfluss auf Glukose- und Lipidstoffwechsel: Zirkulierende SCFA steigern die Insulinausschüttung und fördern die zelluläre Aufnahme von Glukose. Ferner können sie die Lipid- und Cholesterinkonzentrationen im Serum senken.
  • Induktion von Sättigungsgefühl: In der Darmschleimhaut aktivieren SCFA die Ausschüttung von Neuropeptiden (PYY, GLP-1), die über den Blutkreislauf verteilt werden und im Hypothalamus Sättigungsgefühl induzieren. Doch auch die kurzkettigen Fettsäuren selbst können die Blut-Hirn-Schranke überqueren und im ZNS das Hungergefühl unterdrücken. Sie bilden somit eine regulatorische Verbindung zwischen Mikrobiom, Darm und Gehirn, der so genannten Mikrobiom-DarmHirn-Achse.
  • Wirkung im ZNS: Studien in Tiermodellen sprechen dafür, dass SCFA sowohl den Neurotransmitter-Haushalt als auch die Ausbildung von Synapsen und damit kognitive Funktionen beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Interaktion mit dem Signalmolekül BDNF. Ferner schädigt ein Mangel an SCFA im Tiermodell Struktur und Funktion der Mikroglia. Ähnliche Störungen sind bei neurologischen Erkrankungen des Menschen zu beobachten, wie z.B. Morbus Alzheimer und andere Demenzerkrankungen sowie Autismus.

Ernährung steuert die Produktion im Darmmikrobiom

Eine ballaststoffreiche Ernährung vermehrt im Darm Bakterienstämme, die diese Kohlenhydrate zu SCFA vergären und ist daher Voraussetzung für die kontinuierliche Versorgung des Organismus mit kurzkettigen Fettsäuren. Die Produktion im Darmmikrobiom kann über die Zufuhr fermentierter Lebensmittel ergänzt werden, wie z.B. Essig, Sauerteig, Butter, Käse, Creme fraiche, Sauerkraut, Kimchi, Natto und Kombucha.

Indikationen für die Analyse von „SCFA im Stuhl“

  • Entzündung des Darmepithels
  • Gesteigerte Darmpermeabilität
  • V.a. Dysbiose z.B. nach Antibiotikagabe
  • Im Rahmen der Allergieprävention bei Kleinkindern mit Atopieneigung
  • Ernährung mit geringem Anteil an Ballaststoffen

Indikationen für die Analyse von „SCFA im Serum“

  • Chronische Entzündung
  • Leaky gut-Syndrom
  • Entzündliche Darmerkrankungen
  • Störungen des Glukose- oder Lipidstoffwechsels
  • Übergewicht und Störungen der Appetitregulation
  • Depressive Symptomatiken
  • Neurodegenerative Erkrankungen

Material

Stuhlprobe oder 2 ml Vollblut zur Serumgewinnung

Der Transport der Blutproben sollte innerhalb von 24 Stunden, der von Stuhl innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Innerhalb der Berliner Stadtgrenzen bieten wir Ihnen unseren Fahrdienst an (+49 (0)30 7701-250). Für überregionale Abholungen nutzen Sie bitte den kostenfreien Kurierservice (+49 (0)30 77001-450).

Abrechnung

Eine Abrechnung ist nur im privatärztlichen Bereich (GOÄ) gegeben. Selbstzahler entnehmen die Kosten der Profile „Kurzkettige Fettsäuren im Stuhl“ sowie „Kurzkettige Fettsäuren im Serum“ dem PDF-Dokument.

Literatur

  • Baldewijns, Silke, et al. „The role of fatty acid metabolites in vaginal health and disease: application to candidiasis.“ Frontiers in microbiology (2021)
  • Canfora et al., Short-chain fatty acids in control of body weight and insulin sensitivity. Nat Rev Endocrin 2015; 11: 577
  • Erny et al., Host microbiota constantly control maturation and function of microglia in the CNS. Nat Neuroscience 2015; 18: 965-977
  • Frost et al., The short-chain fatty acid acetate reduces appetite via a central homeostatic mechanism. Nat Commun 2014; 5: 3611.
  • Gutiérrez-Diaz et al., Mediterranean diet and faecal microbiota: a transversal study. Food Funct 2016; 7:2347-2356.
  • Martin-Gallausiaux et al., SCFA: mechanisms and functional importance in the gut. Proc Nutr Soc 2020; 1-13.
  • Pretorius R et al. Taking a prebiotic approach to early immunomodulation for allergy prevention Expert Rev Clin Immunol 2018 ;14:43
  • Van et al., Nutrient-Induced Cellular Mechanisms of Gut Hormone Secretion. Nutrients 2021; 13: 883
  • Yeh et al., Int J Mol Sci 2020; 21: 8729
  • Zhang et al., Front Immunol 2017; 8: 167