GDF-15 – Bedeutung für die erfolgreiche Schwangerschaft, Schwangerschaftsübelkeit und die Entzündungsregulation
Was ist GDF-15?
Growth Differentiation Factor 15 (GDF-15) ist ein endogener Wachstumsfaktor, der vielfältige biologische Effekte vermittelt. Die GDF-15-Konzentration im Blut ist altersabhängig, kann aber auch je nach Gesundheitszustand variieren. Physiologisch wird GDF-15 von Makrophagen, Fettzellen sowie Epithel- und Stromazellen verschiedener Organe in sehr geringen Mengen gebildet. Zu deutlichen Anstiegen kommt es während der Schwangerschaft, weil hier das trophoblastische Gewebe der Plazenta viel GDF-15 produziert.
Bedeutung von GDF-15 für die Schwangerschaft
Niedriges GDF-15 ist prädiktiv für geringere Empfängniswahrscheinlichkeit
Während der Schwangerschaft wird GDF-15 in der Plazenta gebildet, so dass die Serumspiegel im Verlauf der Schwangerschaft kontinuierlich ansteigen (siehe Abb. 1). Ein ausreichendes GDF-15-Niveau scheint für die frühe Plazentation wichtig zu sein. Frauen mit wiederholten Fehlgeburten wiesen signifikant geringere GDF-15-Spiegel im ersten Trimenon auf als Frauen mit normal verlaufenden Schwangerschaften (Lyu C et al. 2023; Zeng Y.-T. et al. 2023). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass GDF-15 ein nützlicher Marker für die Beurteilung der Implantation und frühen Schwangerschaftsentwicklung sein könnte.
GDF-15 in der Schwangerschaft – Zusammenhang mit Immuntoleranz
Schon 1997 vermuteten Wissenschaftler, dass GDF-15 eine wichtige Rolle bei der fetomaternalen Immuntoleranz spielt, dass also das Immunsystem der Mutter das heranwachsende Kind toleriert (Kaitu‘u-Lino et al. 2013).
Vielschichtige Bedeutung von GDF-15 in der Frühschwangerschaft
- Ein schnell ansteigender GDF-15-Wert in der Frühschwangerschaft kann ein Zeichen für eine intakte Schwangerschaft sein.
- Auffällig hohe GDF-15-Spiegel werden mit starker Übelkeit in der Frühschwangerschaft in Verbindung gebracht.
Schwere Schwangerschaftsübelkeit: Hyperemesis gravidarum
Ein zu schneller und starker Anstieg von GDF-15 gilt heute als der wichtigste bekannte genetisch determinierte Risikofaktor für starke Schwangerschaftsübelkeit – bis hin zur sogenannten Hyperemesis gravidarum (Fejzo et al. 2023). Diese schwere Form der Schwangerschaftsübelkeit beginnt meist vor der 16. Woche und ist gekennzeichnet durch:
- andauernde Übelkeit, oft mit starkem Erbrechen (mehr als 3x pro Tag)
- Schwierigkeiten, normal zu essen und zu trinken
- Dehydrierung (Flüssigkeitsmangel), Gewichtsverlust und Erschöpfung
Prävention und Therapie bei Schwangerschaftsübelkeit und Hyperemesis gravidarum
Bei auffällig erhöhtem GDF-15 und/oder bekannter Neigung zur starken Übelkeit kann die frühzeitige Einnahme von Vitamin B6 sinnvoll sein. In Studien konnte gezeigt werden, dass die Gabe von Vitamin B6 die Schwere von Schwangerschaftsübelkeit und das Auftreten von Erbrechen reduzieren kann (Wibowo et al. 2012; Vutyavanich T. et al. 1995). Viele Frauen empfinden auch Ingwer (z. B. als Tee oder Kapsel) oder Akupressur als wohltuend. Zudem können die Frauen darauf hingewiesen werden, dass das Essen kleiner, leicht verdaulicher Mahlzeiten über den Tag verteilt, das Meiden stark riechender oder fettiger Speisen sowie das Trinken in kleinen Schlucken, zum Beispiel von Tee, Brühe oder isotonischen Getränken hilfreich ist. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, können neben Vitamin B6 auch Doxylamin (z. B. in Cariban®) oder Ondansetron nach ärztlicher Verordnung verabreicht werden. Bei starkem und anhaltendem Erbrechen ist die Gabe von Vitamin B1 besonders wichtig, um einer seltenen, aber schweren neurologischen Komplikation – der Wernicke-Enzephalopathie – vorzubeugen.
Bedeutung von GDF-15 bei Nicht-Schwangeren
Bei Entzündungsprozessen nimmt die GDF-15-Bildung zu, was die Geweberegeneration unterstützt. Wahrscheinlich sind zunehmende Entzündungsprozesse und Zellstress auch ursächlich für den Anstieg der GDF-15-Blutspiegel im Alter. GDF-15 ist ein antientzündlicher Mediator und Biomarker für das biologische Altern Die Konzentration von GDF-15 (siehe Abb. 3) im Blut steigt mit zunehmendem Alter kontinuierlich an. Ab dem mittleren Lebensalter nimmt die Konzentration zu, was vermutlich auf eine vermehrte Zellalterung, chronischen Zellstress und leichte Entzündungsprozesse im Körper zurückzuführen ist. GDF-15 spielt eine Rolle bei der Regulierung von Entzündungsprozessen im Körper und gilt deshalb auch als ein Biomarker für das biologische Altern. Höhere Werte im Alter können mit altersbedingten Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen oder Tumoren in Zusammenhang stehen. Alters-adaptierte Referenzwerte sind daher wichtig (Conte et al. 2022; Salminen 2024; Wollert KC et al. 2017).
GDF-15 bremst den Appetit
Wenn der GDF-15-Spiegel steigt, reduziert sich normalerweise der Hunger und das Körpergewicht sinkt. Eine erhöhte Produktion von GDF-15 führt zu weniger Fetteinlagerungen und einer geringeren Gewichtszunahme. Das für die Appetitregulation verantwortliche GDF-15 stammt dann hauptsächlich aus der Leber. Verminderte GDF-15-Blutspiegel sind statistisch mit höherem Körpergewicht assoziiert. Bei metabolischem Stress trägt es dazu bei, die Nahrungsaufnahme zu reduzieren. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass eine erhöhte Produktion von GDF-15 zu weniger Fetteinlagerungen und einer geringeren Gewichtszunahme führt (Wischhusen et al. 2020).
Bei älteren Personen mit metabolischem Syndrom werden häufig erhöhte Konzentrationen von GDF-15 im Blut nachgewiesen. In diesem Kontext wird GDF-15 als kompensatorischer Schutzmechanismus diskutiert, der auf die chronisch entzündlichen Prozesse und die gestörte metabolische Homöostase reagiert, um potenziell schädliche Auswirkungen auf den Organismus abzumildern (Carballo-Casla et al. 2022).
Material
0,5 ml Serum
Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen.
Abrechnung
Die Abrechnung ist für GDF-15 im kassen- und privatärztlichen Bereich gegeben. Selbstzahler entnehmen die Untersuchungskosten dem PDF-Dokument.
Literatur
- Fejzo M et al. (2023). GDF-15 linked to maternal risk of nausea and vomiting during pregnancy. Nature; 625(7996):760-767.
- Lyu C et al. (2023). Insufficient GDF-15 expression predisposes women to unexplained recurrent pregnancy loss by impairing extravillous trophoblast invasion. Cell Prolif.; 56(12):e13514.
- Kaitu‘u-Lino TJ (2013). Plasma MIC-1 and PAPP-a levels are decreased among women presenting to an early pregnancy assessment unit, have fetal viability confirmed but later miscarry. PLoS One.;8(9):e72437.
- Wischhusen J et al. (2020). Growth/Differentiation Factor-15 (GDF-15): From Biomarker to Novel Targetable Immune Checkpoint. Front Immunol.; 11:951.
- Conte M et al. (2022); GDF-15, an emerging key player in human aging. Ageing Res Rev.; 75:101569.
- Salminen A. (2024) GDF-15/MIC-1: a stress-induced immunosuppressive factor which promotes the aging process. Biogerontology.;26(1):19.
- Wibowo et al. (2012) Vitamin B6 supplementation in pregnant women with nausea and vomiting. Int J Gynaecol Obstet; 116: 206–10
- Vutyavanich T. et al. (1995) Pyridoxine for nausea and vomiting of pregnancy: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Am J Obstet Gynecol; 173: 881–4
- Wollert KC et al. (2017) Growth Differentiation Factor 15 as a Biomarker in Cardiovascular Disease. Clin Chem.
- Zeng, Y.-T., et al. (2023). GDF-15 deficiency hinders human trophoblast invasion to mediate pregnancy loss through downregulating Smad1/5 phosphorylation. iScience, 26(10), 107902.
- Carballo-Casla A,et al. (2022) Metabolic syndrome and Growth Differentiation Factor 15 in older adults. Geroscience (2):867-880.