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Was kann die HLA-Subtypen-Bestimmung für die Diagnostik und Verlaufsbeurteilung von Patienten mit Borreliose leisten?

Bei etwa 10 % der Patienten mit Lyme-Borreliose persistieren trotz adäquater antibiotischer Therapie Beschwerden über Monate bis Jahre. Bei einer solchen Symptompersistenz in der Spätphase stellt sich immer die Frage nach der Ursache. Hat die Therapie nicht angeschlagen oder sind die Symptome durch eine andere Erkrankung bedingt? Die Bestimmung des HLA-DR-Genotyps erlaubt die Erkennung von Patienten, die während der Spätphase einer Borrelieninfektion zur Chronifi zierung neigen.

Die Chronifizierung in der Spätphase ist durch eine Borrelien-induzierte Autoimmunreaktion bedingt

Kommt es zu einer Infektion mit Borrelien, wird eine Borrelien-spezifi sche Immunantwort ausgelöst. Dabei werden Borrelien-Antigene (d. h. Bruchstücke von Borrelienproteinen) von Makrophagen über HLA-Moleküle präsentiert und aktivieren Borrelien-spezifi sche T-Zellen. D. h., das Immunsystem erkennt und bekämpft den Erreger hochspezifi sch, eine gleichzeitige antibiotische Therapie unterstützt zu diesem Zeitpunkt die Elimination der Borrelien. Es gibt jedoch körpereigene Proteine, die einigen Borrelien-Antigenen sehr ähnlich sind. Ist das Immunsystem einmal im Rahmen einer Borrelieninfektion aktiviert, können diese körpereigenen Antigene fälschlicherweise wie Borrelienantigene angesehen und attackiert werden. Dieses sogenannte „Epitope Mimicry“ (Ähnlichkeit zwischen Erreger- und Wirtsproteinen) unterhält dann über autoimmunologische Vorgänge den Entzündungsprozess, sogar dann, wenn der Erreger selbst schon eliminiert ist. Da hier die Borrelien selbst nicht mehr das Ziel der Immunreaktion darstellen, sprechen diese Patienten nicht mehr auf antibiotische Behandlungen an. Daher spricht man von einer Therapie-refraktären Lyme-Disease bei dieser chronifizierten Form.

HLA-Merkmale können eine wesentliche Rolle bei der Entstehung der Therapie-fraktären Lyme-Disease spielen

HLA-Moleküle haben eine zentrale Funktion bei der Immunantwort. Sie präsentieren Antigene und sie sind essentiell für die Erkennung von Selbst und Fremd. Dies erklärt, warum für viele Autoimmunerkrankungen prädisponierende HLA-Merkmale bekannt sind. Für die Entwicklung einer Therapie-refraktären Lyme-Disease ist seit längerem die Assoziation mit HLA-DR2 oder DR4 bekannt (relatives Risiko 22fach erhöht!). In einer Studie, bei der die Bestimmung der HLA-Subtypen (vierstellige Zahlenfolge) erfolgte, fanden STEERE und Mitarbeiter eine deutliche Assoziation der HLA-Subtypen DRB1*01:01, *15:01, *04:01, *04:02, *04:03, *04:04, *04:05 und *04:07 mit der Entwicklung einer Therapie-refraktären Lyme-Disease. Die genannten HLA-Risiko-Merkmale haben eine passende Bindungsstelle für das Borrelienantigen OspA. Sie binden OspA-Antigene mit besonders hoher Affinität und präsentieren diese noch lange nach der Elimination der Erreger. Scheinbar lösen OspA-Antigene, wenn sie im Rahmen der Immunantwort auf den genannten HLA-Risiko-Merkmalen präsentiert werden, die bereits erwähnten Kreuzreaktionen mit körpereigenen Strukturen aus. Auch wenn es kontrovers diskutiert wird, scheint das zum OspA sehr ähnliche körpereigene LFA1 ein wichtiges Autoantigen zu sein. Die Tatsache, dass deutliche OspA-Banden im Immunoblot häufi g bei komplizierten Verläufen beobachtet werden, unterstreicht die Bedeutung des OspA für die Immunpathogenese der Therapie-refraktären Lyme-Disease. Jeder Mensch trägt 2 HLA-DR-Allele, eines vom Vater und eines von der Mutter ererbt. Handelt es sich dabei um zwei der genannten OspA-bindenden Risiko-DR-Merkmale, besteht ein 11fach erhöhtes Risiko für eine Therapie-refraktäre Lyme-Disease gegenüber Trägern von Nicht-RisikoMerkmalen.

Nur die Bestimmung der HLA-Subtypen erlaubt eine korrekte Risikozuordnung

Um Fehlinterpretationen zu vermeiden, ist die Bestimmung der HLA-Merkmale bis hin zum Subtyp, d. h. bis zur vierstelligen Zahlenkombination erforderlich. Die Auflösung nur bis zur zweistelligen Zahlenkombination könnte eine falsche Risikozuordnung bedingen. So ist z. B. DRB1*15:01 assoziiert, während DRB1*15:02 keine Assoziation aufweist. Die Niedrigauflösung nur bis DRB1*15 würde keine Trennung dieser beiden Allele erlauben.

Indikationen für eine HLA-Bestimmung bei Borrelieninfektion

während der Spätphase der Infektion:

  • Bei Verdacht auf chronische Verlaufsform der Borreliose
  • Bei nachweislich stattgefundener Borrelieninfektion aber aktuell negativem LTT-Borrelien


Da derzeit keine aktive Auseinandersetzung des Immunsystems mit Borrelienantigenen stattfindet, ist eine autoimmunologische Komponente bei positivem HLA-Befund in Erwägung zu ziehen.

Bestimmte HLA-Merkmale könnten zusätzlich die Ursache einer fehlenden oder nur schwachen Borrelien-Antikörperbildung sein

Neben der Assoziation zur Therapie-refraktären Lyme-Disease steht auch die Frage der HLA-DR-Assoziation mit Seronegativität bei nachweislich stattgefundener Borrelien-Infektion (Borrelien-PCR- und Kultur und/oder Borrelien-LTT positiv) im Focus neuer Untersuchungen. In einigen Fällen entwickeln Patienten nach stattgefundener Borrelien-Infektion keine spezifischen Antikörper gegen Borrelia burgdorferi. Wang & Hilton konnten zeigen, dass fast 40 % dieser seronegativen Borreliose-Patienten positiv für HLADR1 sind.  

Fazit: Die HLA-DR-Subtypisierung unterstützt die Diagnostik bei untypischen Fällen mit Borreliose

Die Diagnose einer Borreliose erfolgt vorrangig auf der Basis der Anamnese sowie der klinischen Symptomatik und Befunde, insbesondere deren zeitlicher Entwicklung. Die Labordiagnostik dient dabei in erster Linie der Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose. Allerdings ist das klinische Bild, besonders in späteren Krankheitsphasen, häufig vieldeutig, was die Diagnostik erheblich erschwert. Die HLA-DR-Subtypisierung kann deshalb bei Verdacht auf eine chronisch-persistierende (Therapie-refraktäre) Verlaufsform der Borreliose oder bei einem zweifelhaften negativen oder schwachen serologischen Befund sehr hilfreich für die Festlegung des Therapieregimes sein.

Zusammenfassung der HLA-Assoziationen bei Borrelieninfektion:

HLA-Assoziation mit Therapie-refraktärer Lyme-Disease, d. h. mit Borrelien-induzierter Autoimmunität:

DR1 (HLA-DRB1*01:01)
DR2 (HLA-DRB1*15:01)
DR4 (HLA-DRB1*04:01, *04:02, *04:03, *04:04, *04:05, *04:07)

Die nachfolgend genannten Merkmale wurden gehäuft bei Patienten beschrieben, die trotz nachweislicher Infektion mit Borrelien keine oder nur schwach borrelienspezifisch Antikörper bilden:

DR1-Allele (HLA-DRB1*01:01, *01:02, *01:03, *01:04, *01:05)

Zur Beachtung: Der Nachweis eines HLA-Merkmales, das mit einer Krankheit assoziiert ist, weist immer auf eine genetische Prädisposition hin. Es ergibt sich ein im  Vergleich zum „Normalkollektiv“ erhöhtes relatives Risiko zu erkranken. Das bedeutet, ein Merkmalsträger muss nicht zwingend erkranken. Der Nachweis des prädisponierenden HLA-Merkmals ist jedoch nicht selten wegweisend, wenn Klinik und Standardlabordiagnostik keine sichere Diagnosestellung erlauben.

Anforderung

HLA-DR-Subtypisierung bei Borreliose

Material

2 ml EDTA-Blut

Der Transport ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann per Postversand erfolgen. Für die genetische Untersuchung benötigen wir die Einverständniserklärung des Patienten. Das Blutentnahme- und Versandmaterial wird vom Labor kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Abrechnung

Eine Abrechnung ist nur im privatärztlichen Bereich nach GOÄ gegeben. Aktuelle Untersuchungskosten für Selbstzahler entnehmen Sie bitte dem PDF-Dokument

Literatur

  • RA Kalish et al. (1993): Assiciation of Treatment-Resistant Chronic Lyme Arthritis with HLA-DR4 and Antibody Reactivity to OspA and OspB of Borrelia burgdorferi. Infektion and Immunity 61 (7).
  • AC Steere at al. (1990): Association of chronic Lymearthritis with HLA-DR4 and HLA-DR2 Alleles. N.Engl. J. Med. 323 (4).
  • AC Steere et al. (2006): Antibiotic-refractory Lyme arthritis is associated with HLA-DR molecules that bind a Borrelia burgdorferi peptide. JEM 203 (4).
  • P Wang & E Hilton (2001): Contribution of HLA Alleles in the Regulation of Antibody Production in Lyme Disease. Frontiers in Bioscience 6.