Immunglobulin E (IgE) ist ein Antikörper, der vor allem mit seiner Schlüsselrolle bei allergischen Reaktionen vom Typ I wie Heuschnupfen oder allergisches Asthma assoziiert wird. Seine eigentliche physiologische Aufgabe im menschlichen Körper ist jedoch die Abwehr von Parasiten.
Immunglobulin E (IgE) wird wie andere Antikörperklassen von Plasmazellen synthetisiert. Ihre Hauptfunktion ist die Abwehr von parasitären Infektionen (z.B. Helminthen und Protozoen). Im Organismus kommt IgE frei im Serum vor, hauptsächlich ist es aber an Rezeptoren auf der Oberfl äche von Mastzellen sowie von eosinophilen & basophilen Granulozyten gebunden. Die Bindung passender Antigene an diese IgE-Antikörper auf der Zelloberfl äche hat eine Ausschüttung von Histamin, Leukotrienen, Prostaglandinen und diversen weiteren proentzündlichen Mediatoren zur Folge. Bei einer Allergie richten sich die IgE-Antikörper fälschlicherweise gegen eigentlich harmlose Substanzen aus unserer Umwelt (z.B. Pollen, Nahrungsmittel). Bei bestimmten Autoimmunerkrankungen (z.B. Urtikaria) können sie aber auch gegen körpereigene Proteine gerichtet sein. Das erklärt die oft ähnlichen klinischen Entzündungsbilder (Hautausschlag, Anaphylaxie) (Abb.1).
Abb. 1 Zellgebundene IgE-Antikörper erkennen spezifische Antigene und spielen so eine Rolle in der Bekämpfung parasitärer Infektionen, aber auch bei Allergien und Autoimmunerkrankungen.
Für den Nachweis oder den Ausschluss einer Typ-I-Allergie hat das Gesamt-IgE im Serum kaum eine Bedeutung. Das Gesamt-IgE ist kein Screeningparameter für eine Typ-I-Allergie. Klinische Erfahrungen erlauben lediglich eine sehr grobe Assoziation (Abb. 2).
KINDER | |
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Alter | Normbereich |
Nabelschnurblut | bis 0,70 kU/l |
0 - 0,5 Jahre | bis 2,75 kU/l |
0,5 - 2 Jahre | bis 3,75 kU/l |
2 - 5 Jahre | bis 16,0 kU/l |
5 - 8 Jahre | bis 26,2 kU/l |
8 - 12 Jahre | bis 34,6 kU/l |
12 - 16 Jahre | bis 26,3 kU/l |
ERWACHSENE | |
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Gesamt-IgE-Spiegel | Beurteilung |
< 20 kU/l | Allergie unwahrscheinlich |
20 - 100 kU/l | Allergie möglich |
> 100 kU/l | Allergie wahrscheinlich |
Abb. 2 Das Gesamt-IgE ist kein Allergiescreening-Parameter, sondern liefert lediglich einen groben Anhaltspunkt.
Bei allergologischer Fragestellung sollte immer das spezifi sche IgE gegen den verdächtigten Auslöser bestimmt werden. Die parallele Untersuchung des Gesamt-IgE ist aber sinnvoll, denn sie ermöglicht eine optimierte Beurteilung der Ergebnisse. Ein spezifi sches IgE ist wahrscheinlich dann von klinischer Relevanz, wenn es über 1% des Gesamt-IgE ausmacht.
Es kann vorkommen, dass Patienten nicht oder kaum über freies IgE verfügen. Dieses schließt eine Allergie nicht aus, da die klinischen Symptome, wie oben erläutert, nicht durch die freien, sondern die zellgebundenen IgE-Antikörper vermittelt werden. Bei diesen Patienten ist die IgE-Diagnostik nicht aussagekräftig und es empfi ehlt sich alternativ eine Allergiediagnostik mittels Basophilen-Degranulationstest (Abb. 3C). Außerdem wird man bei Patienten mit niedrigem Gesamt-IgE Spiegeln an spezifi schem IgE eine höhere Relevanz beimessen als bei hohem Gesamt-IgE (Abb. 3A und B).
A - klinische Relevanz der Haselnuss-Sensibilisierung unwahrscheinlich
B - klinische Relevanz der Haselnuss-Sensibilisierung wahrscheinlich
C - Spezifisches IgE-Ergebnis nicht auswertbar
Abb. 3 Gesamt-IgE unterstützt die Beurteilung von Allergiediagnostik-Befunden
Ein erhöhtes Gesamt-IgE kann bei Ausschluss einer vorliegenden Allergie zum einen auf parasitäre Infektionen, z.B. Wurmbefall (Helminthiasis) oder Infektionen mit Spulwürmern, Band- oder Fadenwürmern, und zum anderen auf Autoimmunerkrankungen oder Immundefekte hindeuten. Eine Aufl istung möglicher Differentialdiagnosen sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
Die Prävalenz für nicht nachweisbares Gesamt-IgE (<2.0 kU/L) liegt in der Gesamtbevölkerung bei ca. 3%. Nicht nachweisbare oder sehr geringe IgE-Werte können auf einen Immundefekt oder Erkrankungen des Knochenmarks hindeuten. So weisen Patienten mit einem variablen Immundefekt in 76% der Fälle einen IgE-Mangel auf. Es empfiehlt sich daher, bei nicht nachweisbarem Gesamt-IgE, in jedem Fall eine weiterführende Immundefektdiagnostik (Differentialblutbild, IgA, IgM, IgG, IgG-Subklassen, Komplementteste AP50, CH50, MBL).
Typ I Allergie | Parasitose | Weitere assoziierte Erkrankungen | |
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Erhöhtes Gesamt-IgE | In Zusammenhang mit spez. IgE: Asthma oder allergische Rhinitis: Omalizumab-Dosierung basierend auf Gesamt-IgE Basiswert Allergische Bronchopulmonale Aspergillose: Diagnosekriterium, Verlaufsparameter | Mögliche Parasiten: Bei erfolgreicher Therapie fällt das Gesamt-IgE ab. | Atopische Dermatitis: Immundefekte: Chronisch spontane Urtikaria: Autoimmunerkrankungen: Systemischer Lupus, Bullöses Pemphigoid, Pemphigus vulgaris, autoimmune Uveitis, rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose, autoimmune Pankreatitis IgG4-assoziierte Erkrankungen Granulomatöse Entzündungen: Krebserkrankungen: Leicht erhöhtes IgE gelegentlich auch bei Gesunden |
Erniedrigtes Gesamt-IgE (< 2.5 kU/L) | Falsch-negative Ergebnisse in spezifischer IgE-Diagnostik oder Prick-Test möglich Allergie kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden | Möglicherweise erhöhtes Risiko für parasitäre Infektionen | Variabler Immundefekt |
Gesamt-IgE: 1 ml Vollblut zur Serumgewinnung
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