PDF Download

Hepatitis B-Virus-Diagnostik - Arztinformation (gemäß S3-Leitlinie 2011)

Seroprävalenz in Deutschland

In Deutschland liegt die Prävalenz für das HBs-Antigen, das eine akute und chronische Hepatitis B anzeigt, bei 0,6%. Die Prävalenz für Anti-HBc-Antikörper, die eine aktuelle oder durchge­machte Infektion anzeigen, liegt bei 7%. Diese Daten wurden im Rahmen eines Bundes-Gesundheitssurveys 1998 ermittelt. Bei Kindern findet sich eine Seroprävalenz von Anti-HBc-Antikörpern von 0,5% (KiGGS 2006). Nicht nur in Großstädten, sondern auch in länd­lich geprägten Gebieten (aktuelle Studie Mün­sterland 2012) könnte die Dunkelziffer höher sein. In Risikogruppen und Gruppen aus Gebieten hoher Seroprävalenz ist die HBs-Antigen-Präva­lenz deutlich höher. Es besteht Meldepflicht gemäß IfSG §6+7.

Verlaufsformen der Hepatitis B-Virus-Infektion

Die Infektion immunkompetenter Erwachsener heilt in über 90% der Fälle aus. Eine Infektion im Kindesalter dagegen wird in ca. 90% der Fälle chronisch (bei Immunkompromittierten ca. 30-90% chronische Verläufe).

akut

vor kurzem erworben Erhöhung der Transaminasen und Leberfunktionseinschränkung meist selbstlimitierend

chronisch

länger als 6 Monate fortbestehende HBV-Infektion mit positivem HBs-Antigen kann periodisch oder längerfristig klinisch und oder biochemisch inapparent verlaufen

<1% fulminante Verläufe mit hohem Prozentsatz Leberversagen

Von einer ausgeheilten Hepatitis B kann man sprechen, wenn bei negativem HBs-Antigen po­sitive Anti-HBc-Antikörper und Anti-HBs-Anti­körper zu finden sind. Eine schützende Immunität kann angenommen werden, wenn die Anti-HBs-Antikörper über 10 IU/ml sind. Obwohl das HBs-Antigen nicht mehr nachweis­bar ist, bleibt das Virus in Form einer cccDNA (covalently closed circular DNA) in der Leber nachweisbar und kann unter massiver Immun­suppression (z.B. Chemotherapie) zu einer Reaktivierung führen.

Bei einer chronischen HBV-Infektion finden sich in der Regel mindestens Anti-HBc-Antikörper (ggf. auch Anti-HBe-Antikörper) und ein positives HBs-Antigen (ggf. auch HBe-Antigen).

Ein Sonderfall der chronischen HBV-Infektion ist der isolierte Nachweis von Anti-HBc-Anti­körper ohne Nachweis von HBs-Antigen (in Deutschland eine Prävalenz von ca. 2%). Diese Sonderform kann von einer niedrigen Virämie (HBV-DNA < 20 IU/ml) begleitet sein, ist aber nicht mit einer Hepatitis assoziiert (eine Übertra­gung ist aber möglich!). Unter Immunsuppression kann es zu einer Reaktivierung kommen.

Ein weiterer Sonderfall ist die okkulte HBV-Infektion. Dabei ist HBV-DNA (i.d.R. <200 IU/ml) nachweisbar trotz negativem HBs-Antigen. Dabei können (müssen aber nicht) Anti-HBc- und Anti-HBs-Antikörper nachweisbar sein. Diese Form findet sich gehäuft bei Patienten mit HCV- oder HIV-Infektion oder HCC, aber auch bei völlig gesunden Personen (besonders nach vorausge­gangener Impfung mit abgesunkenen Anti-HBs-Antikörper-Titer < 100IU/l).

Eine Hepatitis D-Virus (HDV)-Infektion sollte beim Nachweis einer akuten oder chronischen HBV-Infektion ausgeschlossen werden, da die Letalität der Hepatitis D ca. 10mal so hoch ist wie die alleinige HBV-Hepatitis (Koinzidenz in West­europa bis zu 12%).

Übertragungswege der HBV-Infektion

Das HBV kann perinatal, perkutan durch Blut-zu-Blut-Kontakte oder durch Sexualkontakte über­tragen werden. Geringe Mengen an Virus reichen für eine erfolgreiche Infektion aus.

Eine HBV-Diagnostik sollte grundsätzlich durch­geführt werden bei

  • Personen mit erhöhten Leberwerten und/oder klinischen Zeichen einer Hepa­titis
  • Patienten mit Leberzirrhose/-fibrose
  • Patienten mit hepatozellulärem Karzi­nom
  • Personen mit Migrationshintergrund aus Regionen mit erhöhter HBs-Antigen-Prä­valenz (Hochendemiegebiete >50% Anti-HBc-Antikörper positiv: Asien, Südpazi­fik, Subsahara, Südamerika und mittlerer Osten; mittlere Prävalenz 10-50% Anti-HBc-Antikörper positiv: Mittelmeerraum und Osteuropa)
  • Familien- oder Haushaltsangehörige bzw. Sexualpartner HBV-Infizierter oder Personen mit Kontakten zu Infizierten, die eine HBV-Übertragung ermöglichen
  • medizinischem Personal
  • Patienten in psychiatrischen Einrichtun­gen, Bewohnern von Fürsorgeein­richtungen für Zerebralgeschädigte, In­sassen von Justizvollzugsanstalten
  • homosexuellen Männern und/oder Perso­nen mit häufig wechselnden Sexu­alkontakten
  • aktive und ehemaligen i.v. Drogen­nutzern
  • Dialyse-Patienten
  • HIV- und/oder HCV-Infizierten
  • Empfängern von Organtransplantaten vor und nach Transplantation
  • Blut-, Gewebe-, Samen- und Organspen­dern
  • Patienten vor bzw. während einer immun­suppressiven Therapie oder Chemotherapie
  • Schwangeren (nur HBs-Ag)
  • Kindern von HBs-Ag-positiven Müttern

Stufendiagnostik

Der Nachweis einer HBV-Infektion kann als Stufendiagnostik erfolgen (HBs-Antigen und Anti-HBc-Antikörper).

Da die Hepatitis B in den meisten Fällen ausheilt, ist dann die zusätzliche Bestimmung der Anti-HBs-Antikörper sinnvoll (ggf. alle 3-12 Monate, bis ein Titer > 10 IU/l erreicht ist).

Indikation zur Therapie

Die akute Hepatitis B heilt bei Erwachsenen in 95-99% der Fälle spontan aus und somit besteht keine Therapie-Indikation für die aktuell verfüg­baren antiviralen Medikamente.

Bei schwerer akuter oder fulminanter Hepati­tis B (Quick-Wert < 50%) sollte dagegen eine sofortige orale Therapie mit Lamivudin einge­leitet werden, um ein Leberversagen vorzubeu­gen. Diese Patienten sollten frühzeitig einem Hepatologen bzw. Transplantationszentrum überweisen werden.

Bei der chronischen Hepatitis B berücksichtigt die Indikationsstellung die Viruslast, den Entzün­dungs- und Fibrosestatus in der Biopsie und die Transaminasen-Aktivität im Serum.

Eine medikamentöse Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga in der Schwangerschaft kann erwogen werden, wenn der mögliche Nutzen größer er­scheint als die Risiken.

Alkohol- und Drogenkonsum stellten aufgrund der guten Verträglichkeit keine Kontraindikatio­nen zur medikamentösen Therapie mit Nukleos(t)id-Analoga dar.

Ziel einer Therapie ist, die Morbidität und Morta­lität der HBV-Infektion zu senken. Dabei ist die Suppression der Viruslast dauerhaft unter die Nachweisgrenze bzw. eine Serokonversion von HBs-Antigen zu Anti-HBs-Antikörpern anzustre­ben.


Therapieindikation