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Oxidativer Stress - Rationelle Labordiagnostik

Physiologie

Freie Radikale wie ROS und RNS (reactive oxygen and nitrogen species) entstehen nicht nur beim lebensnotwendigen Atmungs- und Verbrennungsprozess, sondern sie werden auch durch äußere Einflüsse wie Rauchen, UV-Licht, Ozon, Umweltschadstoffe und Medikamente induziert. Zur Begrenzung der schädigenden Wirkung freier Radikale verfügt der Organismus über Schutzsubstanzen, die als Antioxidantien bezeichnet werden. Kurzen Phasen der oxidativen Belastung kann durch das antioxidative Potential entgegengewirkt werden, während permanenter oxidativer Stress eher zur Erschöpfung der antioxidativen Kapazität führt. Unter oxidativem Stress versteht man ein gestörtes Gleichgewicht zwischen Bildung und Abbau von reaktiven ROS und RNS.

Klinik

Die hoch reaktiven, energiereichen Verbindungen (freie Radikale) zirkulieren im Blut und haben damit Zugang zu allen Organen und Geweben. Besonders gefährdet sind Endothelzellen, neuronale Zellen und Epithelien. Es treten schädigende Wirkungen bei biologischen Zellvorgängen auf, welche für verschiedene Krankheiten mitverantwortlich sind und Prozesse beschleunigen können:

  • Alterungsprozess
  • Förderung systemischer Entzündungsprozesse
  • Entstehung von Thrombosen
  • Unterstützung bei der Entstehung der Arteriosklerose sowie deren Folgeerkrankungen
  • Ausbildung neurodegenerativer Erkrankungen wie M. Parkinson und M. Alzheimer
  • Entwicklung von Krebserkrankungen

Diagnostik

Zu den Messgrößen, die zur Bestimmung des aktuellen oxidativen Stress bzw. des antioxidativen Status des Patienten genutzt werden können, zählen folgende Parameter:

  • Malondialdehyd-modifiziertes LDL/MDA-LDL
  • Nitrotyrosin
  • Thiol-Status
  • Glutathionperoxidase (GPx)
  • Glutathion intrazellulär (GSH)
  • Vitamin C
  • Vitamin E
  • Selen
  • Zink

Malondialdehyd-modifiziertes LDL (MDA-LDL)

Bei den Lipiden bieten die mehrfach ungesättigten Fettsäuren der Zellmembranen den Hauptangriffspunkt für freie Radikale, wobei Malondialdehyd als Oxidationsprodukt entsteht. Zur Beurteilung kann Malondialdehyd selbst bestimmt werden, eine präanalytisch stabilere Aussage zur Beurteilung der längerfristigen oxidativen Belastung bietet aber das MDA-LDL.

Testmethode: ELISA
Material: Serum

Nitrotyrosin

Bei andauerndem oxidativen Stress kann es zu einer überschießenden Bildung des Stickstoffmonoxid-Radikals (NO) kommen. Man spricht dann auch von „nitrosativem Stress“. Dabei entsteht das hoch reaktive Peroxynitrit. Peroxynitrit reagiert mit der Aminosäure Tyrosin zu Nitrotyrosin. Der Nitrotyrosinspiegel im Blut dient als präanalytisch wenig anfälliger Marker für die nitrosative Belastung der letzten 14 Tage. Er ist sensitiver als Citrullin im Urin.

Testmethode: ELISA
Material: EDTA-Blut

Thiol-Status

Der Thiol-Status erfasst die Gesamtheit aller im Blut zirkulierenden Proteine, die freie (schützende) Thiol-Gruppen enthalten und daher in der Lage sind, extrazellulär Radikale abzufangen und toxische Metalle und Schadstoffe zu binden. Der Thiol-Status ist daher der wichtigste Parameter des extrazellulären Schutzsystems. Zahlreiche Studien zeigten einen verminderten Thiol-Status und eine Verschiebung der Thiol/ Disulfid-Homöostase bei gastroenterologischen Erkrankungen, Asthma sowie Stoffwechsel- und Tumorerkrankungen. Der Thiol-Status ersetzt den früher üblichen TAS-Test.

Testmethode: Photometrie
Material: Serum, Vollblutröhrchen mit Gel in der Praxis zentrifugieren.

Das Serum kann auf dem Gel verbleiben. Das Blut kann dann bei Raumtemperatur gelagert und mit dem Kurier transportiert werden

Glutathionperoxidase (GPx)

Die Glutathionperoxidase ist ein Maß für die Entgiftungskapazität. Glutathion ist das wichtigste zelluläre Schutzsystem gegenüber toxischen Wirkungen von Metallen und zahlreichen Schadstoffen. Mit Hilfe von Glutathionperoxidase wirkt es als Antioxidanz, wobei Glutathion selbst oxidiert wird.Verminderte Konzentrationen an Glutathionperoxidase können u. a. durch Selenmangel entstehen.

Testmethode: Photometrie
Material: frisches Li-Heparin-Blut
Transport gekühlt oder gefroren

Glutathion intrazellulär (GSH)

Glutathion (GSH) ist ein schwefelhaltiges Tripeptid aus Glutaminsäure, Glycin und Cystein. Es wird in der Leber gebildet und ist ein bedeutendes wasserlösliches zelluläres Antioxidanz und ein wichtiger Enzymkofaktor. Glutathion liegt in einer reduzierten (GSH) und einer oxidierten Form (GSSG) vor, deren Mengenverhältnis zueinander den Redoxstatus innerhalb der Zelle bestimmt (ca. 9:1). Bei der intrazellulären Glutathionbestimmung wird die wichtige antioxidativ wirksame reduzierte Form (GSH) in verschiedenen Immunzellen gemessen.

Testmethode: Zytofluorometrie
Material: Li-Heparin-Blut

Vitamin C (Ascorbinsäure)

Vitamin C trägt auf zwei Arten zum antioxidativen Schutzsystem bei. Es schützt als Antioxidanz vor freien Radikalen und reaktiven Sauerstoffspezies. So vermag es die Lipidperoxidation durch Abfangen von wasserlöslichen Radikalen nahezu komplett zu verhindern.Fettlösliche membranständige Radikale werden zwar nicht von Vitamin C abgefangen, jedoch regeneriert Ascorbinsäure die bei der Lipidperoxidation intermediär entstandenen Vitamin-E-Radikale zu Vitamin E (α-Tocopherol). So wirken Vitamin C und E synergistisch beim Schutz vor Lipidperoxidation.

Testmethode: HPLC
Durch eine effektive Proteinfällung werden störende Komponenten abgetrennt und gleichzeitig Vitamin C stabilisiert.
Material: lichtgeschütztes, frisches Li-Heparin-Blut oder gefrorenes, unmittelbar nach der Blutabnahme abgetrenntes Li-Heparin-Plasma

Wir empfehlen die Blutabnahme nach Terminabsprache im Labor.

Vitamin E (Tocopherol)

Vitamin E gehört zu den fettlöslichen Vitaminen und kann in großen Mengen im Fettgewebe gespeichert werden. Bei gestörter Fettresorption kann es dennoch zur Unterversorgung kommen. Vitamin E schützt, in seiner Funktion als natürliches Antioxidanz, verschiedene Vitamine und ungesättigte Fettsäuren vor Oxidation.

Testmethode: HPLC
Material: lichtgeschütztes EDTA-Plasma (Serum ist ebenfalls möglich)

Selen

Selen ist Bestandteil eines Enzyms, das in allen Gewebe- und Blutzellen vorkommt und die Zellenvor oxidativer Zerstörung durch freie Radikale schützt. Die Aufnahme von Selen aus der Nahrungist wahrscheinlich in den Industrieländern bei einer "normalen" Ernährung allenfalls ausreichend.Risikogruppen für einen Selenmangel sind Dialysepatienten, Patienten mit gastrointestinalenAbsorptionsstörungen und chronischen Entzündungen, Veganer sowie Patienten mit speziellenDiäten. Bei geschwächtem Immunsystem und erhöhtem Bedarf infolge chronischer Erkrankungen wird empfohlen, einen Selenmangel durch Supplementierung zu therapieren.

Testmethode: ICP-MS
Material: EDTA-Vollblut (Serum)

Die Bestimmung im EDTA-Vollblut ist bei der Fragestellung „Versorgungsstatus des Organismus“ der Serumanalyse vorzuziehen, da hier auch der intrazelluläre Speicher erfasst wird.

Zink

Die Superoxid-Dismutase (SOD) ist ein antioxidatives Enzym, welches in vielen biologischen Systemen vorkommt. Im aktiven Zentrum dieses Enzyms befindet sich das Zink.

Testmethode: ICP-MS
Material: EDTA-Vollblut

Abrechnungshinweis

Gemäß Kapitel 4 des aktuellen EBM sind im kassenärztlichen Bereich seit 2008 alle Untersuchungen im Rahmen des „oxidativen Stresses“ ausgeschlossen.

Lediglich sind Vitamin C und E, Selen und Zink bei ärztlich verordneter Indikation über den Überweisungsschein abrechenbar. Alle anderen Leistungen sind ausnahmslos Selbstzahlerleistungen. Privatkassen übernehmen bei gegebener Indikation die Kosten.

Literatur

  • Labor und Diagnose, Lothar Thomas, 5. Auflage 2000
  • T. Grune, W. Siems, H. Esterbauer: Fresenius J Anal Chem 135-136, 1992
  • R.W. Browne, D. Armstrong: Clinical Chemistry, 829-836, 2000
  • W. Lee, S.M. Roberts, R.F. Labbe: Clinical Chemistry 43, 154-157, 1997