Kommentar zu Pfad 5.2. zu hyporegenerativen mikrozytären Anämien
Allgemeine Bemerkungen: Bei  den hypochromen mikrozytären Anämien ist eine Untersuchung des  Knochenmarkes meist nicht erforderlich, nur bei der sideroblastischen  Anämie ist die Untersuchung des Knochenmarkes indiziert -  Ringsideroblasten (Eisenablagerungen den Erythroblasten). 
Weitere Punkte
Zur Diagnostik des Eisenmangels bei Anämie 
 Serumeisen, Funktioneller Eisenmangel, Retikulozyten-Hämoglobingehalt,  Eisenmangel in den Speichern, Ferritinkonzentration im Serum, akuter  Phase-Reaktion, Ferritinindex (sTFR / log Ferritin), lösliche  Transferrinrezeptor
 Parameter des Eisenmangels
 Frühphase der Eisenmangelanämie
 Ursachen des Eisenmangels
 Thalassämie
 Sondersituationen Thalassämie mit Eisenmangel
 Andere Hämoglobinopathien
 Zur Diagnostik des Eisenmangels bei Anämie
 Serumeisen führt zu Fehlinterpretationen, weil es einem  ausgeprägten diurnalen Rhythmus und alimentären Einflüssen unterliegt.  Deshalb wird es zur Diagnostik des Eisenmangels nicht mehr herangezogen.  
Funktioneller Eisenmangel besteht, wenn die  Hämoglobinsynthese durch ungenügende Bereitstellung des Eisens limitiert  wird. Funktioneller Eisenmangel wird über den Retikulozyten-Hämoglobingehalt (Ret-Hb)  diagnostiziert (Ret-Hb < 28 pg). Funktioneller Eisenmangel kann bei  gefüllten Eisenspeichern (Eisenverwertungsstörung z.B. bei akuter  Phase-Reaktion oder bei Thalassämie) und bei Stimulation der  Erythropoese mit rekombinatem Erythropoietin auftreten.
Eisenmangel in den Speichern wird an erniedrigter Ferritinkonzentration im Serum erkannt. Da Ferritin bei akuter Phase-Reaktion ansteigt,  kann auch bei normaler oder erhöhter Ferritinkonzentration ein  Eisenmagel vorliegen. In der akuten Phase wird ein Eisenmangel in den  Speichern an einem erhöhten Ferritinindex (sTFR / log Ferritin) diagnostiziert. sTFR ist der lösliche Transferrinrezeptor  im Serum, der bei Eisenmangel an der Zelloberfläche vermehrt exprimiert  und abgespalten wird. Der Grenzwert für den Ferritin-Index nach Thomas  ist unter Normalbedingungen 3,2 und bei akuter Phase Reaktion 2. Das  bedeutet: Bei höheren Ferritin-Indices als 2 liegt in der akuten Phase  (CRP > 5 mg/l) Eisenmangel vor. Unter Bedingungen ohne akute  Phase-Reaktion (CRP < 5 mg/l) liegt bei Ferritin-Indices größer 3,2  Eisenmangel vor.
Parameter zur Diagnostik des Eisenmangels -> Parameterkombination „Anämiescreening 2“ Anämiescreening 2 bedeutet in unserem Labor: Anforderung von: 
 – G-BB mit Retikulozyten -> eine Monovette EDTA-Blut 
 – löslichem Transferrinrezeptor, Ferritin und CRP -> eine Serum-Monovette. 
 – Thomas-Plot zur Auswertung
 Thomasplot -> http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/pdf.asp?id=45682 . 
 Tab. Aussage der Parameter von Anämiescreening 2
| Parameter | Interpretation: | 
| Hämoglobin | Anämie | 
| MCV, mittleres Erythrozytenvolumen | Erniedrigte Werte bei gestörter Hämoglobinsynthese, Hinweis auf alle mikrozytären hypochromen Anämien, à z.B. Eisenmangelanämie und Thalassämie | 
| MCH, mittlerer Hämoglobingehalt der Erythrozyten | |
| Ret-Hb, Retikulozyten-Hämoglobingehalt, < 28 pg, funktioneller Eisenmangel 
 | - bei Verminderung des Reserve- und Ganzkörpereisens - unter Stimulation der Erythropoese mit rekombinantem Erythropoietin - bei gestörter Eisenbereitstellung durch akute Phase Reaktion | 
| Retikulozytenzahl, Retikulozytenproduktionsindex | Erythropoese regenerativ oder hyporegenerativ; RPI bei Anämie < 2 à hyporegenerative Erythropoese | 
| Mentzer-Index (MI) MI = MCV/ Eryzahl | Unterscheidung Eisenmangelanämie und Thalassämie – MI > 13 Hinweis auf Eisenmangel, MI < 13 Hinweis auf Thalassämie | 
| Huber-Herklotz-Formel (HH), Formel ist nur bei MCH < 27 gültig. | HH < 20 à alpha-Thalassämie HH > 23 à Eisenmangel | 
| RDW, red cell distribution width | RDW erhöht à Eisenmangel, bei alpha-Thalassämie meist normal, bei beta-Thalassämie grenzwertig bis leicht erhöht | 
| Löslicher Transferrinrezeptor (sTfR) wird bei Eisenmangel vermehrt an der Zelloberfläche exprimiert | sTfR erhöht à Hinweis auf Eisenmangel | 
| Ferritin, Marker des Eisenspeicher, akute Phase-Protein | < 20 mg/dl à Eisenmangel in den Speichern > 20 mg/dl à keine Aussage bei akuter Phase | 
| Ferritin Index = sTfR /log Ferritin Der Ferritinindex korreliert gut mit dem Goldstandard für die Beurteilung der Eisen-speicherreserve , der Berliner-Blau-Färbung des Knochenmarkes. | > 3,2 à Eisenmangel, wenn CRP < 5, (keine akute Phase Reaktion) > 2 à Eisenmangel, wenn CRP > 5 (akute Phase Reaktion) | 
| CRP | > 5 mg/l , akute Phase Reaktion | 
 Die alpha-Thalassämie wird mit hoher Sensitivität durch die Huber-Herklotz-Formel (HH) vorhergesagt. Diese Formel ist nur für hypochrome Blutbilder (MCH < 27 pg) gültig.
            MCH * RDW
 HH = ------------------- + RDW
              10 * Ery
 Ein HH-Wert von < 20 spricht für alpha-Thalassämie. Ein HH-Wert von > 23 spricht für Eisenmangel.
Huber AR et al. Thalassämie-Syndrome: Klinik und Diagnose. Schweiz Med Forum 2004; 4: 947-52
Zu Retikulozytenzahl und RPI bei Eisenmangelanämie gibt  es widersprüchliche Aussagen von vermindert (hyporegenerativ) bis  leicht erhöht (regenerative Anämie). Auch eine verkürzte Überlebensdauer  der Erythrozyten (Hinweis auf Hämolyse) ist für die Eisenmangelanämie  beschrieben, insbesondere für schwere Formen. 
Beutler E. Disorders of iron metabolism. In  Lichtman A, Beutler E, Kipps TJ, Seligsohn U, Kaushansky K, Prchal JT.  Williams Hematology. 7th edition, Mc Graw-Hill Medical, New York, pp.  511- 553, 2006 
In der Frühphase der Eisenmangelanämie sind nur  Hb-Konzentration, Retikulozyten und Ferritin vermindert, Auslenkungen  der anderen Laborparameter des Eisenmangels MCV, MCH und Ret-Hb sind  noch nicht erkennbar. So tritt eine frühe Eisenmangelanämie als  normochrome normozytäre Anämie mit niedrigem RPI in Erscheinung. Erst im  Verlaufe der Erkrankung wird die typische hypochrome Mikrozytose mit  vermindertem Ret-Hb beobachtet. Bei weiter bestehendem Eisenmangel kommt  es zu weiterer Abnahme der Hämoglobinkonzentration.
 Die Ursache eines Eisenmangels muss bei jedem Patienten  abgeklärt werden. Auf Grund der klinischen Bedeutung muss vor allem ein  chronischer Blutverlust aus einem blutenden Tumor ausgeschlossen  werden. 
  
| Ursachenklärung eines Eisenmangels | |
| Anamnese | Ernährung, Blutungen, Medikamente, Blutspenden, Infektionen, Menstruation, Operationen, Stuhlgang, Hämorrhoiden | 
| Körperliche Untersuchung | Inspektion der Analregion, Palpation des Abdomens, rektal-digitale Untersuchung | 
| Laboruntersuchung | Okkultes Blut im Stuhl | 
| Funktionsuntersuchungen | Gastroskopie, Koloskopie, Sonographie des Abdomens | 
| Besondere Diagnostik | MRT-Sellink, Helikobakter.-Atemtest, Brochoskopie, Endoskopiekapsel, | 
 Die Thalassämie ist in Berlin eine nicht seltene Form  der hypochromen mikrozytären Anämien. Verminderte Anlage des  beta-Globingens führt zur beta-Thalassämie und verminderte Anlage des  alpha-Globingens zur alpha-Thalassämie. Die Folge ist die verminderte  Synthese der entsprechenden Globinketten und damit die verminderte  Synthese von Hämoglobin. Es resultiert daraus eine hypochrome  mikrozytäre Anämie. Die Thalassämie zeigt meist nur geringe  Anämiesymptome, meist eine leicht vergrößerte Milz. 
 Bei Verdacht wird die Hämoglobinelektrophorese durchgeführt. Ein erhöhter HbA2 Wert beweist eine beta-Thalassämie,  ein Extrapeak für Sichelzellhämoglobin beweist eine homo- oder  heterozygote Sichelzellanämie und andere Extrapeaks lassen andere  Hämoglobinopathien erkennen. 
 Labordiagnostisch wird bei hypochromer mikrozytärer Anämie zuerst ein  Eisenmangel ausgeschlossen bzw. behandelt, dann wird an Thalassämie  gedacht. Die diagnostischen Kenngrößen Mentzer-Index < 13, und RDW < 15 % bestätigen den Verdacht Thalassämie und  eine Hämoglobinelektrophorese oder Hämoglobin-HPLC wird durchgeführt.  Die Diagnose beta-Thalassämie wird durch erhöhten HbA2 Anteil, eine  Hämoglobinopathie durch abnormales Hämoglobin bestätigt. Wenn bei  hypochromer mikrozytärer Anämie und Mentzer-Index < 13 Eisenmangel,  beta-Thalassämie und abnormales Hämoglobin ausgeschlossen wurden, ist  eine alpha-Thalassämie anzunehmen und eine molekulargenetische  Untersuchungen durchzuführen. 
 Der Mentzer-Index = MI = (MCV [fl] / Erythrozytenzahl [T/l]) hilft  bei einem Grenzwert von MI = 13 eine Thalassämie mit 100 %  diagnostischer Sensitivität von einer Eisenmangelanämie zu  unterscheiden. Die diagnostische Spezifität war in dieser Untersuchung  88 % (Area unter der ROC-Kurve = 0,977). 
Urrechaga E. Red blood cell microcytosis  and hypochromia in the differential diagnosis of iron deficiency and  b-thalassaemia trait. Int J Lab Hematol. 2009 Oct;31(5):528-34.
Sondersituationen Thalassämie mit Eisenmangel:  der Eisenmangel hemmt die Hämoglobinsynthese, so kann der RPI < 2  sein und die Hämolyse, die die Erythropoese stimulieren sollte,  verschleiern. Weiterhin führt der Eisenmangel zu erniedrigtem HbA2  Anteil, sodass eine beta-Thalassämie in der Hb-Elektrophorese übersehen  werden kann. Im Falle eines Eisemangels wird deshalb empfohlen, diesen  zuerst zu behandeln und die Hb-Elektrophorese nach Auffüllung der  Eisenspeicher zu wiederholen. 
Andere Hämoglobinopathien: Die häufigste Hämoglobinopathie nach der beta-Thalassämie in Deutschland ist die Sichelzellanämie.  Bei homozygten Merkmalsträgern tritt die Sichelzellerkrankung als  Multiorgan-Infarktkrankheit mit krisenartigem Verlauf in Erscheinung.  Die sichelförmigen Erythrozyten verstopfen Kapillargebiete und führen zu  schmerzhaften Infarkten mit Nekrosen in Haut, Leber, Milz, Knochen,  Nieren, Retina und ZNS. Dem entsprechend sind die Leitbefunde  hämolytische Anämie, krisenartiger Krankheitsverlauf, Minuten bis Tage  anhaltende Schmerzkrisen, Sichelzellen im Blutausstrich und Nachweis von  HbS in der Hämoglobinelektrophorese. Alpha-Thalassämie, Hb-E-Krankheit  und andere Hämoglobinopathien sind deutlich seltener. 
Kohne, E. Kleihauer, E. Hämoglobinopathien – eine Langzeitstudie über vier Jahrzehnte. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(5): 65-71
Sideroblastische Anämie (X-linked Form, Defekt  der erythroiden delta Aminolävulinsäuresynthetase) ist durch  hämolytische Anämie, Blässe, Müdigkeit, Hypersplenismus charakterisiert.  Es kann sich im Laufe der Zeit als Folge der Eisenüberladung eine  Hämisiderose entwickeln. Im Hämatologieautomaten wird hypochrome  mikrozytäre Anämie ermittelt und im peripheren Blutausstrich sieht man  deutliche Anisozytose, Poikilozytose und Polychromasie. Im Knochenmark  fällt eine megaloblastäre Erythropoese auf; die Erythroblasten zeigen  mit Eisenfärbung ringförmige Eiseneinlagerungen (Ringsideroblasten).
 Die Konzentrationen der Porphyrinpraecursoren in Urin und Faeces sind normal.
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