Laktoseintoleranz

Laktose (Milchzucker) ist ein in vielen Nahrungsmitteln enthaltener Zweifachzucker, der normalerweise im Dünndarm durch das Enzym Laktase in seine Bestandteile Galaktose und Glukose gespalten wird. Nur diese Einfachzuckermoleküle können durch die Dünndarmwand aufgenommen werden.
Mangelt es an dem Enzym Laktase, kann Laktose nicht gespalten und daher nicht resorbiert werden. Die Laktose gelangt dann unverdaut bis in den Dickdarm, wo sie von den dort regulär vorhandenen Darmbakterien vergoren wird. Die Laktoseintoleranz ist somit durch einen Enzymmangel bedingt und darf nicht mit einer Milchallergie verwechselt werden, bei der das Immunsystem auf Milchbestandteile reagiert.

Was bedingt die Beschwerden bei Laktose-intoleranten Patienten?

Aus den unverdauten Laktosemolekülen entstehen im Dickdarm bakterielle Gärungsprodukte wie Kohlendioxid (CO2), kurzkettige Fettsäuren, Wasserstoff und Methan. Zusätzlich wirken die Laktosemoleküle osmotisch. Die durch diese Prozesse entstehenden Gase sowie der osmotisch bedingte Wassereinstrom in den Dickdarm bedingen die folgenden Symptome.

  • Völlegefühl
  • Blähungen
  • Meteorismus (Trommelbauch)
  • krampfartige Bauchschmerzen
  • Diarrhoe

Die verminderte Glukoseaufnahme im Dünndarm kann zudem temporär eine Müdigkeitssymptomatik induzieren.
Bei einer Laktoseintoleranz muss immer zwischen der genetisch bedinten primären und einer sekundär erworbenen Form unterschieden werden, da dies für die Therapie entscheidend ist.

Die primäre (adulte) Laktoseintoleranz ist der weltweit häufigste Enzymmangel

Wie bei allen Säugetieren sinkt beim Menschen die Produktion der Laktase nach dem Abstillen durch die Entwöhnung von der Muttermilch. In Populationen, die intensiv Milchwirtschaft betreiben, sind vor ca. 7500 Jahren schützende Mutationen entstanden, die dem Mutationsträger eine lebenslange Laktasepersistenz sichern. In Europa ist als Anpassung an den lebenslangen Verzehr von Laktose an der Stelle -13910 im Laktasegen in der DNA ein Cytosin (C → Laktaseproduktion nimmt ab) gegen ein Thymidin (T → Laktasepersistenz) ausgetauscht worden.
Ca. 75% der deutschen Bevölkerung haben diese Genvariante, weshalb sich deren Nachweis in Deutschland für die Differenzierung der primären und sekundären Lakoseintoleranz etabliert hat.
Bei den Patienten, die diese schützende Mutation nicht tragen, nimmt die Laktaseproduktion nach wie vor im Laufe des Lebens ab. Man geht davon aus, dass eine Laktoseintoleranz bei 25% der Bevölkerung im Laufe des Lebens eintritt.

Höhere Sensitivität durch neue Analysemethode

Heute wissen wir, dass die Zahl von 25% überschätzt war, da die üblicherweise untersuchte Mutation -13910 C → T nicht allein für die Persistenz der Laktaseproduktion verantwortlich ist. Parallel zur europäischen Entwicklung hat auch in anderen Regionen eine Anpassung an den lebenslangen Verzehr von Milchzucker stattgefunden. Weitere mit einer Laktasepersistenz einhergehende genetische Varianten im Laktase-Gen sind die Polymorphismen -13907 C → G, -13908 C →T, -13909 C → A,-13913 C → T, -13914 G → A und -13915 T → G.
Diese genetischen Varianten treten immerhin in ca. 10% der Fälle auf, die in unserem Labor untersuchen werden. Diese zusätzlichen Mutationen sind also auch in der deutschen Bevölkerung präsent. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass die Analysetechnik auf die hochmoderne DNA-Sequenzierung umgestellt wurde. Damit werden alle verantwortlichen Mutationen zweifelsfrei erfasst. Das hat die Konsequenz, dass bei weiteren 10% der Patienten eine (andere) schützende Mutation festgestellt werden kann.

Das bedeutet, dass in Deutschland ca. 15% der Bevölkerung an einer primären (genetisch bedingten) Laktoseintoleranz leiden. Durch den genetischen Test kann heute eine sichere Zuordnung der genetischen Disposition zu einer primären (genetisch bedingten) Laktoseintoleranz erfolgen.

Abb. Laktaseproduktion

Normalerweise vermindert sich, wie bei allen Säugetieren, auch beim Menschen die Produktion der Laktase kontinuierlich nach dem Abstillen. Als Anpassung an den lebenslangen Verzehr von Milchzucker sind jedoch die schützenden Mutationen -13910 C → T,  -13908 C → T, -13909 C → A, -13907 C → G, -13913 C → T, -13914 G → A und-13915 T → G entstanden, die jede für sich, eine lebenslange Laktasepersistenz bewirken. Im Labor kann untersucht werden, ob der Patient eine dieser genetischen Varianten trägt.

Bei der sekundären Form der Laktoseintoleranz ist die Produktion an Laktase nicht genetisch, sondern in Folge einer anderen Grunderkrankung vermindert.

Ein sekundärer Laktasemangel kann sich durch Schädigung des Dünndarmepithels (Ort der Laktasesynthese) z.B. bei einer Zytostatika- oder Antibiotikatherapie oder bei Patienten mit Zöliakie oder Morbus Crohn manifestieren. Ein sekundär verursachter Laktasemangel ist nur vorübergehend und nach Regenerierung des Darmepithels reversibel. Diagnostisch wird der Laktose-Belastungstest zum Nachweis einer aktuell bestehenden Laktoseintoleranz genutzt.

Abb. Ein fehlender Anstieg des Blutzuckers nach Laktosegabe und die Entwicklung von Symptomen zeigen eine Laktoseintoleranz an. Falsch negative Resultate können bei Patienten mit Diabetes mellitus oder bakterieller Fehlbesiedlung auftreten. Störungen der Magenentleerung beeinflussen das Ergebnis: schnelle Magenpassage führt zu höheren Blutzuckerwerten, langsame Passage zu niedrigeren Werten.

Nur der Gentest kann zwischen der primären und der sekundären Laktoseintoleranz unterscheiden.

Mit Hilfe des Gentests kann zwischen der primären und der sekundären Laktoseintoleranz unterschieden werden. Der Laktoseintoleranz-Gentest empfiehlt sich daher als Nachfolgeuntersuchung bei allen positiven Ergebnissen im Laktosebelastungstest.
Dies ist von großer therapeutischer Bedeutung, da bei Patienten mit einer primären Form der Laktoseintoleranz eine Laktose-arme bzw. Laktose-freie Diät oder die Einnahme von Laktasepräparaten lebenslang die einzig mögliche Therapieoption ist. Bei Patienten mit einer sekundär bedingten Laktoseintoleranz ist diese Therapie hingegen nur so lange notwendig, bis sich nach Ursachenabklärung und Behandlung der  Grunderkrankung das Darmepithel regeneriert hat. Eine lebenslange Laktose-freie Diät ist bei sekundärer Laktoseintoleranz nicht notwendig.
Bei signifikanter klinischer Symptomatik kann der Laktoseintoleranz-Gentest auch im Rahmen der Differentialdiagnostik der Laktoseintoleranz eingesetzt werden, als eine für den Patienten nicht belastende labordiagnostische Alternative zum Belastungstest.

Häufig sind chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Ursache eines sekundären Laktasemangels.

Als potentielle Ursachen eines sekundären Laktasemangels sollten neben Allergien auf Milchprodukte und relevante Dysbiosen vor allem chronisch entzündliche Darmerkrankungen ausgeschlossen werden. Bei Verdacht auf Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa kann die Bestimmung der genetischen Marker NOD2 und ATG16L1 hilfreich sein. Labordiagnostisch können die gehäuft bei Morbus Crohn nachweisbaren ASCA und Pankreas-Azinuszell-Autoantikörper bzw. die mit Colitis Ulcerosa assoziierten Becherzell-Autoantikörper und pANCA bestimmt werden. Auf die Zöliakiediagnostik wird hier detailliert eingegangen.

Material

Genetischer Laktoseintoleranztest: 2 ml EDTA-Blut
Der Transport der Blutprobe ins Labor ist nicht zeitkritisch und kann auch per Post erfolgen.
Für die genetische Untersuchung benötigen wir die Einverständniserklärung des Patienten. Für weitere Fragen erreichen Sie uns unter der Tel.-Nr. 030 77001 220.

Laktosebelastungstest:

  • nüchterne Blutentnahme für die Bestimmung der Blutglukose (Citrat/NaF-Röhrchen)
  • Patient trinkt 50g Laktose in 400 ml Wasser, bzw. 2g Laktose/kg Körpergewicht
  • weitere Blutentnahmen nach 30, 60, 90 und 120 min für die Bestimmung der Blutglukose (je 1 Citrat/NaF-Röhrchen)

Abrechnung

Eine Abrechnung im kassen- und privatärztlichen Bereich ist für beide Untersuchungen gegeben. Die genetische Untersuchung berührt nicht das Laborbudget.

Literatur

  • Imtiaz et al. (2007). The T/G 13915 variant upstream of the lactase gene (LCT) is the founder allele of lactase persistence in an urban Saudi population. J Med Genet. 44(10):89.
  • Ledochowski et al. (2003). Laktoseintoleranz. J Ernährungsmed. 5(1):7-1.
  • Mattar et al. (2012). Lactose intolerance: diagnosis, genetic, and clinical factors. Clin Exp Gastroenterol. 5:113–121.
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  • Tishkoff et al. (2007). Convergent adaptation of human lactase persistence in Africa and Europe. Nat Genet. 39(1):31-40.